Tiefliegende, luftdurchströmte thermische Erdmassespeicher werden als Luftbrunnen bezeichnet. Die in Funktion erhaltene Luftbrunnenanlage des Wiener Burgtheaters aus dem 19. Jh. belegt die nachhaltige Wirksamkeit dieser Form der Gebäudekonditionierung.
Das gesamte Belüftungssystem des Wiener Burgtheaters, das in seinen wesentlichen Teilen seit dem 19. Jh. unverändert erhalten geblieben ist, stellt vom Einlaufwerk bis zum Blasengel ein beeindruckendes Beispiel dar, wie Gebäudekonditionierung über einen langen Zeitraum hinweg energieeffizient bewerkstelligt werden kann. Die Zuluft sinkt vom Volksgarten durch das Einlaufwerk, einem Luftbrunnen mit sechs Metern Durchmesser, in das dritte Kellergeschoß. Von dort führt ein einhundert Meter langer Tunnel die Zuluft, welche durch Bodenenergie konditioniert wird, zur Lüftungszentrale. Im Winter wärmt der der Erdmassespeicher die kalte Außenluft vor, während im Sommer die heiße Außenluft abgekühlt wird. Analoge Prozesse laufen zum Luftfeuchtigkeitsausgleich ab, wobei die mit porösem Kalkputz überzogenen Ziegelmauern des Zulufttunnels als Feuchtigkeitspuffer dienen. Über die unterirdische Lüftungszentrale wird die Zuluft nun weiter spezifisch nach Bedarf konditioniert und über ein hochkomplexes System aus Gängen, Schächten und Kammern im gesamten Gebäude verteilt.
Eine weitere Besonderheit des Belüftungssystems im Wiener Burgtheater besteht darin, dass die Zuluft großflächig durch den Boden des Parketts einströmt und sogleich senkrecht nach oben durch die Decke des Zuschauerhauses abgeführt wird. Dabei kommt es zu keiner Querverteilung der Luft im Zuschauerhaus.
Der höchste Dachpunkt des Wiener Burgtheaters wird von der Auslassöffnung des historischen Belüftungssystems, dem sogenannten "Blasengel", eingenommen. Diese figurale Belechtreibarbeit, ist in ihrer technischen Funktion eine Windfahne, welche die Austrittsöffnung des Fortluftkanals selbstregulierend mit reiner Windenergie seit über 130 Jahren fortwährend ins Lee dreht.
Die Thematik einer hygienisch notwendigen und krankheitspräventiven Lüftungs- und Heizungstechnik hat im 19. Jh. vom (Militär-)Spitalswesen ihren Ausgang genommen.
Am Wiener Josephinum bzw. im daran angeschlossenen Garnisonsspital führte der Chirurg Dr. Carl Böhm (1827–1901) ab 1860 systematisch Experimente und vergleichende Untersuchungen durch. Carl Böhm leitete in weiterer Folge von 1870 bis 1887 die Krankenanstalt Rudolfstiftung. Zu dieser Zeit galt er in Wien aber auch im süddeutschen Raum auf dem Gebiet der „Gesundheitstechnik“ – der Krankheitsprophylaxe durch Lufthygiene – als Autorität.
Die Luftbrunnenanlagen des Burgtheaters wurden von Carl Böhm nach diesen Erkenntnissen konzipiert. Einer der nach wie vor bedeutenden Vorzüge des Böhm'schen Belüftungssystems im Burgtheater besteht darin, dass die Zuluft großflächig durch den Boden des Parketts einströmt und sogleich senkrecht nach oben durch die Decke des Zuschauerhauses abgeführt wird. Dabei kommt es zu keiner Querverteilung potenziell kontaminierter Luft, wodurch ein mögliches Infektionsrisiko minimiert wird.
In der Zusammenschau mit dem Forschungsprojekt "Restart-19" der Martin-Luther-Universität Halle wird nun erkennbar, wie die Potenziale, die in unserem baukulturellen Erbe stecken plötzlich auch für die Bewältigung der aktuellen CORONA Situation Bedeutung erlangen können.
Eine weitere Publikation zu diesem Thema ist im Februar 2021 im Fachperiodikum "Bauphysik" erschienen. Schwerpunktmäßig sind darin die bauphysikalische Aspekte alternative Gebäudekühlung über eine Luftbrunnenanlage behandelt.